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Let´s talk about...:Seminar zur Kultur der Achtsamkeit.

Mit dem Projekt „Let´s talk about...“ ist Bildungsreferent Andy Fischer derzeit in den Pfarreien im Landkreis unterwegs.
Bericht in der Presse
Datum:
21. Sept. 2023
Von:
Heike Schühlein
Prävention Sexualisierte Gewalt 1

Neuer Text.

Steinberg- „Der Verdacht wiegt schwer: Ein Mädchen erzählt seinem Jugendbetreuer im Vertrauen, dass ein Freund ihres Vaters ihr sexuell gegenüber übergriffig wurde. Was soll man tun? Ist eine Strafanzeige gut oder nicht? Soll man das Jugendamt einschalten? Müssen die Eltern Bescheid wissen? Was ist die richtige Reihenfolge? Antworten auf diese und viele weitere Fragen gibt die Schulung „Let´s talk about – Kultur der Achtsamkeit“, die auf das Thema Prävention sexualisierter Gewalt, Grenzverletzungen sowie - wie der Titel verdeutlicht - Achtsamkeit ausgerichtet ist. 

„Ihr Schutz ist unser höchstes Gebot im Rahmen der Kinder- und Jugendarbeit. Zu diesem Zwecke haben wir von der Fachstelle für katholische Kinder- und Jugendarbeit das Seminar konzipiert“, erklärt Andy Fischer, der den Präventions- und Sensibilisierungs-Workshop in den Pfarreien der Seelsorgebereiche Kronach und Frankenwald anbietet. Hintergrund ist das von den beiden katholischen Seelsorgebereichen erstellte Schutzkonzept zur Prävention sexualisierter Gewalt „Miteinander achtsam leben!“. Dieses soll sensibilisieren, informieren und Fragen beantworten und damit ein wichtiger Baustein in der Aus- und Fortbildung aller haupt- und ehramtlichen Mitarbeitenden werden. Genau darauf zielt auch „Let´s talk about...“ ab. Mit dem vom Bundesprogramm „Demokratie leben“ geförderten Projekt möchte man Klarheit bei den Verantwortlichen auf Pfarrei-Ebene schaffen, Begrifflichkeiten im Bereich sexuellen Übergriffs erklären, anhand von Fallbeispielen Handlungsmuster besprechen und Sicherheit im Umgang mit diesem Thema geben. 

„Der Schutz des Kindes bzw. Jugendlichen steht immer an erster Stelle“ - Dies sei, betonte Andy Fischer, die Grundaussage der Schulung, die er nun auch im Jugendheim der Pfarrei St. Pankratius Steinberg abhielt. An dem Seminar - es war bereits das zwölfte im Landkreis - nahm, neben 16 Ehrenamtlichen der örtlichen Kirchengremien bzw. Vereine, auch Pater Helmut Haagen teil. Bei einem Verdacht auf sexuellen Missbrauch sei es vor allem wichtig, Ruhe zu bewahren, mit Bedacht vorzugehen und fachliche Unterstützung zu suchen. Dies gelte gerade auch, wenn man den möglichen Täter oder die mögliche Täterin kenne. Oftmals werde bei sexuellem Missbrauch an brutale Übergriffe durch Fremde oder flüchtige Bekannte gedacht. Sexuelle Gewalt finde jedoch meist im sozialen Nahraum statt. Häufig sei das jemand, den das Kind kenne, möge, von dem es abhängig sei oder dem es vertraue - wie Eltern oder andere Angehörige, Jugend- und Sportleiter sowie weitere Vertrauenspersonen. „Wenn sich ein Kind jemandem anvertraut, ist schon viel Positives geschehen“, spricht der Bildungsreferent von einem Vertrauensverhältnis. Das Kind habe seine Angst oder Schuldgefühle etwas überwunden, um sich zu öffnen. Mit der Kenntnis durch einen Dritten sei die grundlegende, erste Voraussetzung für Schutz und Hilfe erfüllt. Aber es erwarte niemand von einem, ein Fachmann bzw. eine Fachfrau vor Ort auf diesem Gebiet zu sein.

 

„Natürlich ist da ein Ohnmachtsgefühl. Der Berg, den man erklimmen muss, ist riesengroß. Aber es fehlt einem dabei am Rüstzeug, um an die Spitze zu stoßen“, warnt er eindringlich davor, in blindem Aktionismus vorzustoßen. Wenn man zu schnell oder auf eigene Faust etwas unternehme, könne dies die Situation des Kindes noch verschlimmern.  Vielmehr müsse man sich unbedingt - auch zur eigenen Entlastung - Rat von Fachleuten bzw. einer Beratungsstelle holen. Wichtig sei es, dem Kind Glauben zu schenken, aufmerksam zuzuhören und auch für seinen Mut, darüber zu sprechen, zu loben: „Sagt ihm, dass es keine Schuld hat, gerade wenn es glaubt, es hätte sich vielleicht mehr wehren müssen. Macht keine vorschnellen Versprechungen - zum Beispiel „Ich sorge dafür, dass das sofort aufhört“ oder „Ich sage niemanden etwas davon“, sondern sagt dem Kind, dass ihr ihm helfen wollt und sich dazu mit anderen Helfern besprecht.“ Auf keinem Fall dürfe man es selbst den Eltern erzählen oder sie damit konfrontieren. Gleiches gelte für eine Konfrontation des möglichen Täters. Stattdessen müsse man sich unbedingt Hilfe holen.  

„Ich wäre damit selber überfordert“, räumte auch der Pater ein. Nichts davon, was im Beichtstuhl besprochen werde, dürfe nach außen dringen. Dieses strenge - zu Verschwiegenheit verpflichtende - Beichtgeheimnis gelte nach kirchlichem Recht für alles in der Beichte Anvertraute - sprich auch für den Täter, sollte dieser Straftaten berichten. Priester, die das Beichtgeheimnis brächen, würden exkommuniziert. Wenn in der Beichte Missbrauchserfahrungen zur Sprache kommen, müsse es darum gehen, dem Opfer behutsam und einfühlsam zuzuhören und die seelische Not, das Leid und die Auswirkungen ernst zu nehmen sowie demjenigen Hilfe anzubieten.  

Bei dem rund dreistündigen Seminar erhielten die Teilnehmer auch ein Basiswissen über wichtige Rechtsfragen an die Hand. Auch das eigene Verhalten mit Blick auf die Kinder- und Jugendarbeit wurde kritisch reflektiert. Für viele war es beispielsweise neu, dass - nach § 72a SGB VIII - alle in der Jugendarbeit Tätigen ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen müssten. Obwohl diese Verschärfung bereits zum 1. Januar 2012 in Kraft getreten sei, hätten bislang die wenigsten Vereine eine adäquate Lösung gefunden, damit umzugehen. „Mittlerweile sind über zehn Jahre vergangen“, prangerte Andy Fischer an, dass diese Vorgabe noch immer sehr stiefmütterlich behandelt werde.